Als das Oktoberfest ohne Fahrgeschäfte auskam

Wiesn historisch: Gaudi auch ohne Loopings, Geisterbahn und Karussell

Geht man heute über die Wiesn, hört man nicht nur viel Musik. Zusätzlich glitzern überall Lichter, laden animierte Figuren zum Besuch der Fahrgeschäfte ein und übertreffen sich die Schausteller gegenseitig beim Anpreisen ihrer Attraktionen. Kaum noch vorzustellen: Es gab Zeiten, in denen kam die Wiesn ohne Elektrizität aus.

Ansicht des Kettenkarussells Richtung Himmel mit der Alpinabahn im Hintergrund.
Sebastian Lehner

Lasset die Spiele beginnen!

Auch wenn es gänzlich ohne elektrisches Licht und Strom auskommen musste, bot das erste Oktoberfest im Jahr 1810 viel Grund zur Freude. Anlass war schließlich die Hochzeit von Prinzregent Ludwig I., dem späteren König, und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen, zu deren Ehren auf der Theresienwiese ein großes Pferderennen ausgetragen wurde. Die damals noch am Stadtrand gelegene Wiese wurde nach dem Namen der Braut fortan „Theresienwiese“ genannt — ein ziemlich einmaliges Hochzeitsgeschenk. Das Paar war glücklich, das Volk hatte Spaß — hier wurde der Grundstein für ein Volksfest gelegt, das heute in der ganzen Welt berühmt ist.

Baumsteigen statt Teufelsrad

Um die Wiesn-Besucher im 19. Jahrhundert bei Laune zu halten, wurde einfach auf das zurückgegriffen, was ohnehin da war. Bäume zum Beispiel. In den 1860er Jahren führten die Wiesnwirte eine Attraktion ein, die sich schlicht und ergreifend „Baumsteigen“ nannte. Hier musste von den teilnehmenden Burschen ein Baum erklommen werden, der, um den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen, glattgeschält war. Da konnte man zum Amüsement des Publikums schon mal ins Rutschen kommen. Wer oben angekommen war, konnte sich aus allerlei Kleinigkeiten, die dort befestigt waren, einen Preis aussuchen. Das waren zu der Zeit vor allem Lebensmittel, die man nicht ohne weiteres käuflich erwerben konnte.

Mus-Essen statt Kettenkarussell fahren

Die damaligen Oktoberfest-Attraktionen erinnern heute eher an einen Kindergeburtstag. Topfschlagen wurde zwar nicht gespielt, aber Schubkarrenrennen und sogar Sacklaufen standen bei den Besuchern hoch im Kurs. Eine weitere äußerst beliebte Disziplin war das Mus-Essen. Hier saßen sich die beiden Konkurrenten mit verbundenen Augen gegenüber und fütterten sich gegenseitig mit Mus. Die Belustigung der umstehenden Zuschauer beim Anblick der verschmierten Gesichter kann man sich gut vorstellen.

Früher ging’s um die Wurst!

Auch dieses Spiel hat viel von Kinder-Fasching — und trotzdem war es in den Anfängen der Wiesn der Garant für Gaudi und gute Laune. Das „Würstelschnappen“ war damals der ultimative Spaß und fand um 1869 in Form eines Gansviert-Fangens statt. Wer hier teilnahm, musste auf einer beweglichen Walze balancieren und es mit viel Glück bis ans Ende schaffen. Dort angekommen, wartete als Belohnung ein an einer Schnur befestigtes Stück Gans, das Preis und Mahlzeit zugleich war. In der Regel wurde es sofort gegessen.